Schwarzwaldcamp | August 2020

“Hier wurde nun kreischend mit Krone auf dem Kopf vor dem bösen Drachen weggerannt oder zu einem Lied getanzt, um die letzten schlaftrunkenen Menschen gänzlich wach zu bekommen...”

 

Beschreibung

Das Schwarzwaldcamp ist eine intensive Zeit, in der Teilnehmer:innen und Betreuer:innen vor immer neuen Herausforderungen stehen und an ihnen wachsen. Dabei bildet sich eine starke Gemeinschaft, die viel Spaß, aufgeweckte junge Menschen und unvergessliche Erlebnisse mit sich bringt. Die Teilnehmer:innen entwickeln Verantwortungsbewusstsein, eine starke Beziehung zur Umwelt und kommen mit frischen Ideen, neuen Fähigkeiten und vielen neuen Freund:innnen zurück!

Bericht

von Edda

 

Biep, Biep, Biepbiep.... eine Banane nach der anderen wog die Verkäuferin in Neustadt liebevoll und voller Hingabe für uns ab, insgesamt 20kg. Irgendwie passend, denn auch wir wollen ja jede:n Einzelne:n unserer Gemeinschaft wertschätzen.

Mit den Bananen trudelten auch die Betreuer*innen zum Teambuilding auf der altbekannten Wiese ein. Innerhalb weniger Stunde spross eine über das vergangene Jahr in Regalen gelagerte Welt aus dem Wiesengrund in Form von weißen Kegeln hervor. Unser Steinofen bekam wieder Liebe und Wärme zu spüren und beehrte uns sehr bald mit einzigartigem Brot, und auch das kalte Wasser des Mathisleweihers begrüßte uns herzlich. Ein starker Wind vom Feldberg - unser vertrauter Wetterbote - prüfte unsere Aufbaukünste in der zweiten Nacht, woraufhin neben dem Rauschen und Säuseln auch Stimmen und Hammerschläge erklangen, um das ein oder andere (fast) weggewehte Zelt wieder an Ort und Stelle zu bringen.

Ein Wespenstich im Mund, eine Verbrennung vom Kochen oder doch ein Stock im Bein - sehr realistisch brachte uns die Outdoor Schule Süd verschiedene gefährliche Situationen nahe und ließen uns in Rettungsteams die Notfälle lösen, sodass wir bestmöglich auf jegliche Gefahren der Natur um uns herum vorbereitet waren. Im Regen der folgenden Tage wurde Erde aus dem Grund geschaufelt, Schnüre gespannt, Planen aufgehangen, Holz aus dem Wald gezogen, sowie nachgedacht was uns die bevorstehenden Wochen erwarten wird, was uns motiviert und was wir erfahren wollen, als auch was wir den anderen mitgeben wollen.

Nach fünf Tagen Aufbau und Teambuilding kamen nun Samstag Mittag eine:r nach dem anderen die Kinder den Berg hinauf gestapft, Wiedersehensfreude erfüllte die Luft und ließ das Camp-Leben nun so richtig beginnen. Da wollte auch der Regen nicht fehlen, so spielte sich das erste Mittagessen mit knapp 100 Menschen direkt im Zelt ab. Auch die darauffolgenden Tage machten Gebrauch von Regenhose, Regenjacke und Gummistiefel - so zeigte sich gleich einmal, wer richtig ausgerüstet war und dem Wetter trotzen konnte.

Nachdem in der Frühe die Betreuenden mit den ersten Sonnenstrahlen aus ihren Schlafsäcken schlüpften, über die Wiese zogen und die Kinder mit einem Lied aus dem Schlaf weckten, trafen sich alle in einem großen Kreis in der Mitte des Zeltkreises. Hier wurde nun kreischend mit Krone auf dem Kopf vor dem bösen Drachen weggerannt oder zu einem Lied getanzt, um die letzten schlaftrunkenen Menschen gänzlich wach zu bekommen. Daraufhin schmückten Müsliteller und unzählige, vielfältige Brote - vom Bäckerteam in den frühen Morgenstunden frisch gebacken - den Frühstückstisch. Nach dem Frühstück war es Zeit eine Schicht Kleider auszuziehen, oder, je nach Wetter, doch noch eine Jacke aus dem Koffer zu ziehen.

Frisch gemacht trafen sich anschließend alle im Versammlungszelt, zum gemeinsamen Morgenbeginn, begleitet von Liedern, Klatschrhythmen und einem Tagesausblick. Ob Jägerball, Lockvogel, oder Katz und Maus, bewegte sich das ganze Camp anschließend lachend über die Wiese, bis sich jede Zeltgruppe mit ihren Betreuenden auf den Weg zum Projekt begab. Es wurden wundervolle, märchenhafte Plätze im Wald geschaffen, Hütten gebaut, Mooslandschaften eingerichtet, Insektenhotels hergestellt, Theater gespielt, Steine aus dem Grund gehoben und unterdessen ein Platz geschaffen, in welchem sich jede:r einzelne wohl fühlte. Viele Gruppen verbrachten auch ganze Nächte im Wald, wo die weltbesten Pfannkuchen gebacken wurden. Natürlich musste gleichzeitig auch das Camp am laufen gehalten werden, so durfte jede Gruppe Holz holen und hacken, spülen oder in der Küche helfen. Das Highlight war natürlich das Pizza backen im Steinofen. Nebenher musste man auch Zeit finden zum Duschen, Weihern oder ähnlichem, weshalb die Projektzeit doch oft viel kürzer ausfiel, als man zu Beginn der Zeit annahm.

Spätestens nach zehn Tagen kam jede:r auf den Geschmack von Gemüse, denn die Küche gab dieses zum besten. So gab es eine Vielfalt an Gerichten, welche sich mit jedem Tag auf`s neue übertrafen, wie z.B. frisch, im Regen geernteter Mangold des Mathislehofes, zu selbstgemachten Kässpätzle, verfeinert mit Hofkäse und selbst aus der Erde gezogenen Zwiebeln. Nach einem solchen Essen war es an der Zeit zu ruhen, wozu die stille Pause diente. Das Augen schließen und nichts tun fiel den Betreuenden natürlich deutlich leichter, als den meisten Kinder.

Daran anschließend sprang ein Großteil der Kinder sofort auf, um Fußball, Frisbee oder andere Spiele  zu spielen, sowie  Karten oder Briefe zu schreiben. Jeden Nachmittag in der Aktionszeit gab es verschiedene Angebote wie Schmuck herstellen, Gitarre lernen, Lachyoga, Batiken, Hochseilgarten, Ultimate Frisbee und vieles mehr, welche sich jedes Kind frei aussuchen durfte. Auch größere Aktionen, wie gemeinsam Weihern, zum Wasserfall gehen oder ein großes Fähnchenspiel im Wald standen zur Auswahl.

Rechts kreuz hinten, rechts kreuz vorne, rechts, Stampf! Stampf! Alle fanden sich zusammen, hielten sich an den Händen und begleiteten mit ihren Stimmen Akkordeon, Geige, Cajon und Gitarre zum Tanz. Links, rechts, verflechten, drehen, kreuzen, durch, drüber, aber vor allem Spaß war gefragt, bis das letzte Summen verstummte und sich zum Abendessen eingefunden wurde.

Während die Betreuenden spülten und das Versammlungszelt für den Abendkreis vorbereiteten, zogen sich die Kinder warm an, machten sich Bett fertig, hatten noch ein letztes Mal die Möglichkeit die übrigen Energien auf dem Platz raus zu lassen, bis die Glocke erklang und alle ins Zelt strömten oder sich im Kreis auf der Wiese um eine große Feuerschale einfanden. Gesang und Stimmengeseusel erfüllte die Wiese. Um uns besser an die Tage erinnern zu können, legten wir jeden Abend einen Namen anhand der erlebten Ereignisse fest. „Regen con Aktion“ und „die weihernde Regenbogen-Lauch-Kartoffel“, “Feldberg unterm Sternenhimmel” für die 20km lange Feldbergwanderung und “Der feurige Wasserfall geht hoch hinaus” als Zusammenfassung von Abendkreis am Feuer, Hochseilgarten-Aktionen und einer Wanderung zum Wasserfall sind nur Beispiele der bunten Namensgestaltung.

Nach dem Abendkreis ging es noch schnell auf Toilette, während sich die Gruppenbetreuer:innen am Kessel beim Küchenzelt einfanden, um die Wärmflaschen der Kinder zu befüllen.

Letzte Akkorde und Melodien erklangen aus den Zelten, bis alle Lichter erloschen und das Zeltdorf verstummte. Die Betreuenden trafen sich noch in einer Runde am Feuer um sowohl vergangenes, als auch bevorstehendes zu besprechen, zu koordinieren und zu reflektieren. Jedem einzelnen fielen jedoch die Augen zu, als dann auch hier noch ein letztes Lied erklang.

Als am Freitag das ganze Camp Richtung Feldberg aufbrach, machte sich eine Gruppe von 4 Mädchen, 6 Jungs und 4 Betreuenden in die entgegengesetzte Richtung auf. Während die Feldbergwanderer:innen am Feldsee Stopp machten, Stockbrot buken und später am Tag noch auf dem Gipfel des Feldbergs tanzten, schlug die kleinere Gruppe ihr Lager am Schluchsee auf. Am Tage nach der Feldbergwanderung war das Camp wieder zurück in seinem normalen Alltag, nur die Gruppe vom Schluchsee, welche Samstagabend erwartet wurde, ließ mitteilen, dass sie noch eine Nacht länger weg bleiben würden. Da sie nicht genug Essen für die spontan verlängerte Wanderung dabei hatten, wurden in Menzenschwand Äpfel gegen verschiedenste Zutaten für eine Tomatensoße eingetauscht, sodass ein hervorragendes Mittagessen gezaubert werden konnte. Die zweite Nacht verbrachten die Wanderer:innen auf dem Zweiseenblick und liefen Sonntagmorgen zurück ins Camp.

Hier hatten die Füße allerdings kaum Zeit zu ruhen. Nach einer dringend nötigen Duschveranstaltung fand sich die, nun wieder vollständige, Gemeinschaft zum Mittagessen ein und machte sich nach der stillen Pause auf, im Rahmen des Geländespiels Bohnen an verschiedenen Stationen zu sammeln, um der Prinzessin zu helfen, ihren Thron aus den Fängen des verzauberten Bruders zurück zu erlangen. Es war jedoch Vorsicht angesagt, denn im Wald lauerten böse „Bloobs“, welche Bohnen klauten und die tapferen Abenteurer:innen fesselten, sodass diese zu singen hatten, dass eine Fee erscheinen möge, um sie wieder zu befreien.

Auch wenn es das Wetter zu Beginn nicht ganz gut mit uns meinte, war es am vorletzten Tag doch so warm, dass wir in der freien Zeit eine Wasserschlacht veranstalteten. Doch wer Wasser verbrauchte musste auch dafür sorgen, dass wieder Wasser da war (was mangels Wasserhahn eine anstrengende Angelegenheit ist). So fanden sich alle Beteiligten am Ufer des Entenweihers ein, um mit unserem ausgeklügelten Pumpsystem den Wassertank auf dem Hügel wieder zu füllen.

Den letzten Abend ließen wir gemeinsam am Mathisleweiher, um’s Feuer ausklingen, von wo ein mit Kerzen ausgeleuchteter Pfad jedes einzelne Kind in Stille zurück zum Camp führte.

Es war so weit, die Ankunft schien gerade erst vorgestern gewesen zu sein und doch hatte man so viel erlebt, dass es auch Monate hätten sein können. Pullover wurden gefaltet, Handtücher von der Wäscheleine gezogen und schlussendlich der Koffer mit Müh’ und Not zugedrückt. Schlafsäcke wurden gestopft, Isomatten gerollt und zu guter Letzt das Zelt ausgefegt. Ein letztes Danken für das Essen, ein Lied für den Bauernhof, und 94 Menschen, welche so viel gemeinsam durchlebt hatten, dass man einander nicht so schnell vergessen mag, mussten Abschied nehmen. So trennten sich die Wege Stück für Stück. Die Kinder machten sich auf zum Bahnhof, die Betreuenden hingegen liefen den Berg wieder hinauf, die Welt aus weißen Kegeln zurück in ihre Kisten zu verstauen. Der Prozess des Aufbaus hatte nun rückwärts zu laufen. Schnüre wurden abgespannt, Löcher wieder unkenntlich gemacht, Duschen wurden abgebaut, als hätten sie nie existiert. Alles was übrig bleibt ist eine braune Wiese, mit Kreisen welche genauso gut von Ufos, wie von Zelten stammen könnten. Die Magie steckt in jedem von uns, wir haben sie eingefangen. 

Aus nichts etwas zu schaffen und aus so viel etwas scheinbar nie da gewesenen zu machen, bedarf an Energie, Kraft, Gemeinschaft... und vor allem Menschen wie Dir und Mir. Nun heißt es, festhalten, warmhalten, durchhalten, bis nächstes Jahr wieder alles frei gelassen werden kann und wir erneut die Wiese mit genau dem Gefühl erfüllen werden, welches Du gerade vernimmst.

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